15. April 2024 / Allgemeines

Die Stadt, die zum deutschen Meister gehört: Leverkusen

Die Fußballer von Bayer 04 kennt Deutschland nun - die Stadt, in der sie kicken, aber kaum. Leverkusen ist ein Ort, der zwar keinen Balkon am Rathaus hat, aber auch keine Allüren. Ein Besuch.

Wie ein auf einem Einkaufszentrum gelandetes Ufo: das Rathaus in Leverkusen.
von Jonas-Erik Schmidt und Christoph Driessen, dpa

Als kleinere Stadt neben einer großen Stadt hat man es nicht leicht. Frankfurt blickt auf Offenbach herab, Nürnberg auf Fürth und Mannheim mitunter auf Ludwigshafen. Und in Leverkusen, tja - da muss man sich gelegentlich von Kölnern anhören, man sei ja nur der «Parkplatz» der eigenen angeblichen Weltstadt. «Ganz böswillig» nennt diesen Vergleich der Komiker Ralf Schmitz («Schillerstraße»). Als Kronzeuge dient der 49-Jährige aber nur bedingt: Schmitz ist in Leverkusen-Opladen geboren und aufgewachsen. Das macht befangen.

Was also ist Leverkusen? Die Frage dürfte sich nun ein beträchtlicher Teil von Deutschland stellen, denn Fußball ist in Deutschland wichtig - und Leverkusen nun Heimat eines deutschen Fußballmeisters. Nach einer halben Ewigkeit hat Bayer 04 Leverkusen die scheinbar ewig währende Dominanz des FC Bayern in der Bundesliga gebrochen. Gar nicht schlecht für eine Stadt, die mal in einem Lied der Blödel-Band Die Doofen für den Nonsens-Reim «Wir fahren jetzt nach Leverkusen, da ham' die Mädchen Lederblusen» herhalten musste.

Will man sich Leverkusen sachlich nähern, muss man es zunächst verorten. Leverkusen liegt nördlich von Köln, im Grunde gehen beide Städte ineinander über. Schon der Name deutet auf die industrielle Prägung hin. Er geht auf eine Fabriksiedlung zurück, die ein gewisser Dr. Carl Leverkus von 1860 an um seine Ultramarin-Fabrik herum gegründet hatte. Heute schaut der längst verblichene Chemiker und Apotheker Passanten als Büste mit einem recht neutralen Gesichtsausdruck durch eine Glasscheibe am Leverkusener Rathaus an.

Oberbürgermeister: «Wir sind eine bescheidene Stadt»

In diesem Rathaus sitzt an einem Nachmittag Anfang April Oberbürgermeister Uwe Richrath und hat keinen Balkon. Das Rathaus, das ein wenig wie ein auf einem Einkaufszentrum gelandetes Ufo aussieht, hat keinen natürlichen Ort, an dem sich eine Meistermannschaft dem Volk zeigen könnte. Weil im Fußballkenner-Milieu ein Witz auch gerne mal zwei- oder dreimal erzählt wird, war dieses architektonische Understatement in den vergangenen Wochen Dauerthema. In Leverkusen hatte man aber stets abgewunken: So weit in die Zukunft denke man nicht - erst einmal abwarten, ob es überhaupt so weit komme. Anders als etwa in Dortmund. Da wurde endlos über die Meisterfeier gesprochen, die es dann gar nicht gab.

Richrath ist sehr entspannt, er trägt einen Bayer-Schal. Der Katholik hat in seiner Heimatgemeinde eine Kerze für den Titelgewinn angezündet. «Wir sind eine bescheidene Stadt», erklärt er. Insofern stehe Leverkusen auch nicht für klassisches rheinisches Frohnaturentum. «Bei uns kommt noch die Industrietradition dazu.» Es fehlt das ungebremst Joviale, teils auch etwas Unseriöse, das etwa dem stereotypen Kölner nachgesagt wird. Richraths Stadt ist eher eine Mischung aus Rheinland und Ruhrgebiet. In Leverkusen, so sagt man, wird das Geld verdient. Und in Köln oder Düsseldorf wird es ausgegeben.

Für's Touristenprogramm: Fußballstadion und Bayer-Kreuz

Die konzentrierte Leistungsorientierung des Clubs passe hervorragend zu der Stadt, meint Richrath. «Der Bayer hat immer sehr konsequent gearbeitet.» «Der Bayer» - so nennt man hier den Club, die Bayer 04 Leverkusen Fußball GmbH, der vor 120 Jahren als Turn- und Spielverein der Farbenfabriken vorm. Friedrich Bayer & Co. in Leverkusen gegründet wurde.

Wenn man Richrath fragt, was sich ein Tourist in Leverkusen anschauen müsse, nennt er keine Naturdenkmäler oder fancy Cafés - er nennt erstens das Fußballstadion und zweitens das in den Nachthimmel leuchtende Bayer-Kreuz, das gigantische Symbol des Chemie- und Pharmakonzerns. Man bekommt den Eindruck, dass da jemand weiß, wo sein Platz ist.

«Heidewitzka, musste das unbedingt sein?»

Zur Wahrheit gehört, dass man beim Blick aus dem Rathaus auf die Innenstadt eine Ahnung davon bekommt, warum der Kölner Witz mit dem «Parkplatz» verfangen konnte. Man sieht reichlich Beton, graue Farben, Schornsteine.

Das weist auch Komiker Ralf Schmitz nicht von sich. «Leverkusen ist meine Heimat, ich liebe sie. Es gibt dort unglaublich schöne Flecken», betont er. Gleichwohl halte sich das «Gerücht» im Ort, dass Leverkusen bei einer Umfrage zu den schönsten Städten Deutschlands nur den 100. Platz erreicht habe. «Auch ich muss zugeben, dass es durchaus architektonisch - nicht menschlich! - in Leverkusen Orte und Auswüchse gibt, an denen man sagt: Heidewitzka, musste das unbedingt sein?», sagt Schmitz. «Ich glaube, es gibt heute noch Menschen in Leverkusen, die vor dem neuen Rathaus auf die Knie fallen, an das alte denken und anfangen zu weinen.»

Gram bereitet ihm das aber erkennbar nicht. Er leitet daraus etwas Positives ab. «Auch Köln ist in Teilen nicht der Inbegriff der architektonischen Schönheit», sagt Schmitz. «Das eröffnet aber auch den Blick auf die Menschen. Man sagt dann: Es ist wie es ist, wir halten zusammen und machen es uns schön.» Natürlich sei der Bayer-Konzern dabei prägend für die Menschen. «Als ich Kind war, haben gefühlt fast alle Eltern meiner Freunde «beim Bayer» gearbeitet», berichtet Schmitz.

Karl Lauterbach ist Abgeordneter für Leverkusen-Köln

Einer, der ständig einen Spagat zwischen Leverkusen und Köln hinbekommen muss, ist Karl Lauterbach, Bundesgesundheitsminister und Bundestagsabgeordneter für den Wahlkreis Leverkusen-Köln IV. «Leverkusen war immer schon spitze - jetzt auch im Fußball», sagt der derzeit vielleicht bekannteste Rheinländer der Deutschen Presse-Agentur. «Der Stadt Leverkusen tut der Triumph gut, die Bürger haben es in den letzten Jahren nicht leicht gehabt. Ich freue mich.»

Aber er wäre nicht der mit allen Wassern gewaschene Vollblutpolitiker, wenn er nicht noch den Satz hinzufügen würde: «Jetzt muss nur noch Köln erstklassig bleiben.»


Bildnachweis: © Oliver Berg/dpa
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