11. Oktober 2022 / Allgemeines

Klimakrise und Entwaldung treiben Baumprimaten auf den Boden

Boden statt Baumwipfel: In eine Etage tiefer wechseln, wenn es oben zu heiß wird oder es an Wald mangelt - können Primaten das? Ein großes Forscherteam ist dieser Frage nachgegangen.

Ein vom Aussterben bedrohter Goldener Bambuslemur (Hapalemur aureus) sitzt im Nationalpark Ranomafana im Südosten Madagaskars in einer Bambusstaude.
von dpa

Die Klimakrise und der weltweite Schwund der Wälder treiben Lemuren und andere baumbewohnende Primatenarten auf den Boden. Das berichten die Autoren einer breit angelegten Studie, die im Fachblatt «Proceedings of the National Academy of Sciences» (PNAS) veröffentlicht ist. Der Wechsel des Lebensraums könne die Tiere vor dem Aussterben bewahren - allerdings sei eine solche Anpassung nicht allen Arten möglich.

«Die Studie begann mit einer Diskussion unter Kollegen darüber, die festgestellt hatten, dass bestimmte Populationen baumbewohnender Primaten mehr Zeit auf dem Boden verbringen», erinnert sich Biologe und Hauptautor Timothy Eppley von der San Diego Zoo Wildlife Alliance. In der Folge begann eine Zusammenarbeit von 118 Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen von 124 Institutionen. Sie sammelten mehr als 150.000 Stunden Beobachtungsdaten zu 15 Lemuren- und 32 Affenarten an 68 Standorten in Amerika und Madagaskar. Alle untersuchten Primatenarten gelten als überwiegend baumbewohnend.

Die Forschenden schätzten ab, inwiefern sich Faktoren wie menschliche Einflüsse und artenspezifische Merkmale darauf auswirken, wie viel Zeit die Primaten am Boden verbrachten. Die Datenanalyse ergab Unterschiede sowohl zwischen als auch innerhalb der Arten.

Suche nach Nahrung und Abkühlung

Arten, die weniger Früchte fressen und eine breitere Nahrungspalette haben sowie in großen sozialen Gruppen leben, kommen demnach mit größerer Wahrscheinlichkeit auf den Boden. Die Forschenden nehmen an, dass sie hier mehr Nahrung finden, während die größere Gruppengröße besser vor möglichen Feinden schützt. Gerade in heißeren Regionen, in denen die Baumkronen lichter werden, könnten die Tiere zudem vor der Hitze hinab flüchten.

«So haben wir beispielsweise festgestellt, dass Primatenarten wie Eulemur fulvus und Eulemur rufifrons in den relativ heißen tropischen Laubwäldern Madagaskars deutlich mehr Zeit auf dem Boden verbrachten als ihre Artgenossen in den kühleren feuchten Wäldern, wahrscheinlich um an terrestrische Wasserquellen zu gelangen», heißt es dazu in der Studie. Dies könne eine potenzielle Voranpassung an das Leben auf dem Boden bedeuten.

«Es ist denkbar, dass mehr Zeit auf dem Boden einige Primaten vor den Auswirkungen der Waldzerstörung und des Klimawandels schützt», sagt Studienleiter Eppley. Ein solches Adaptionsverhalten könnte indes nicht allen Primaten möglich sein: «Für die weniger anpassungsfähigen Arten sind jedoch schnelle und wirksame Schutzstrategien erforderlich, um ihr Überleben zu sichern.»

Menschen stören Anpassungsfähigkeit

Die Studie ergab auch, dass Primatenpopulationen, die sich in der Nähe menschlicher Infrastrukturen befinden, mit geringerer Wahrscheinlichkeit von den Bäumen herunterklettern. «Dieses Ergebnis könnte darauf hindeuten, dass die Anwesenheit des Menschen, die oft eine Bedrohung für Primaten darstellt, die natürliche Anpassungsfähigkeit der Arten an den Klimawandel beeinträchtigt», erklärt der Biologe Luca Santini von der italienischen Universität Sapienza.

Grundsätzlich habe es in der Evolution der Primaten mehrfach Übergänge von einer baumbewohnenden zu einer terrestrischen Lebensweise gegeben. Die heutigen schnellen Veränderungen stellten allerdings eine ernsthafte Bedrohung dar, betont Giuseppe Donati von der Oxford Brookes University, ein weiterer Autor der Studie. «Obwohl ähnliche ökologische Bedingungen und Artenmerkmale frühere evolutionäre Umstellungen von baumbewohnenden Primaten, einschließlich Homininen, auf eine bodengebundene Lebensweise beeinflusst haben könnten, ist es klar, dass das derzeitige Tempo der Abholzung und des Klimawandels die meisten Primatenarten in Gefahr bringt.»


Bildnachweis: © Jürgen Bätz/dpa
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