17. Dezember 2023 / Allgemeines

Seit sechs Jahren vermisster Junge kehrt zurück

Jahrelang ist ein Junge aus England verschollen, da meldet er sich plötzlich bei der Polizei in Frankreich. Was er während all der Zeit erlebt hat, ist kaum zu glauben.

Susan Caruana, die Großmutter und Sorgeberechtigte des seit sechs Jahren vermissten britischen Jungen (undatiertes Handout).
von Benedikt von Imhoff, dpa

Sechs Jahre nicht in die Schule gehen, stattdessen neue Länder sehen und im Ausland leben. So erging es Alex Batty aus England. Völlig unklar, ob es ihm tatsächlich gefiel. Nun wurde dem mittlerweile 17-Jährigen das unstete Nomadenleben mit Mutter und Großvater aber offensichtlich zu viel - und er meldete sich bei der Polizei in Südfrankreich. Inzwischen ist der Junge zu seiner Großmutter nahe Manchester zurückgekehrt, wie die Polizei in der Nacht zum Sonntag mitteilte.

Doch damit ist die Geschichte noch lange nicht vorbei. Vielmehr wirkt sie wie ein Rätsel. Warum stießen die Behörden über Jahre nicht auf das Kind? Auch sorgte für Erstaunen, dass der Fall öffentlich zuletzt zunehmend in Vergessenheit geraten war. Die Greater Manchester Police rückt bisher nicht mit Details heraus. Zuerst wolle man ausführlich und in Ruhe mit Alex sprechen, hieß es lediglich.

Revel, 14. Dezember: Auf einer Polizeiwache in Südfrankreich meldet sich ein Lieferwagenfahrer. Der 26-Jährige hatte nachts im strömenden Regen einen Jugendlichen aufgegabelt, irgendwo zwischen Camon und Chalabre, 20 Minuten Fahrt vom nächsten Ort. Er sei von seiner Mutter entführt worden und nun entkommen, habe der Teenager erzählt. «Er sagte, sie sei ein bisschen verrückt», zitierten Medien den Mann.

Schwer zu entwirrende Geschichte

Es ist eine teilweise schwer zu entwirrende Geschichte, die nun ans Licht kommt. Dass nach dem Jungen seit sechs Jahren gesucht wurde, wusste er offenbar nicht. Die Franzosen alarmierten die Briten - die den Fall bestätigten. Bald darauf trafen sein Stief-Großvater und britische Polizisten den Jugendlichen in Toulouse und flogen mit ihm in die Heimat zurück.

Der Fall gibt Einblicke in eine schwierige Familiensituation, die detailliert von der «Sunday Times» recherchiert wurde. Wer Alex' leiblicher Vater ist, ist unbekannt, Mutter Melanie sprach nicht darüber. Großvater David hatte 2013 aus gesundheitlichen Gründen seinen Job verloren, die Scheidung von Ehefrau Susan war schwierig. Als Gerichtsvollzieher sein Haus beschlagnahmen wollten, setzte er sich zur Wehr - mit Hilfe von Melanie, die Jura studierte.

Die Tochter sei intelligent, aber neige zu Verschwörungstheorien, so das Urteil eines namentlich nicht genannten Freundes von David, der mit der «Times» sprach. Immer mehr seien David und Melanie auch dank Facebook-Gruppen in ein Umfeld geraten, das staatliche Eingriffe wie Steuern, Hypothekenzahlungen oder TV-Gebühren ablehnt. In Marokko lebten sie mit Alex vorübergehend in einer Kommune, die «kraftstofflose» Energiequellen zu entwickeln versuchte.

Keine Rückkehr aus Familienurlaub

Als Melanie mit ihrem neuen Freund nach Bali weiterzog, holte Großmutter Susan ihren Enkel heim. Alex lebte sich in England ein - bis Mutter und Großvater wieder auftauchten und ihn 2017 zu einem Familienurlaub nach Spanien mitnahmen.

Eigentlich sollte Alex bereits am 8. Oktober 2017 zurück bei seiner Oma sein, die das Sorgerecht erhalten hatte. Doch anstatt das damals elfjährige Kind wie versprochen zurückzubringen, brannten die heute 38-jährige Frau und ihr Vater mit dem Jungen durch. Alex war fortan wie vom Erdboden verschluckt, wie britische Medien berichten. Auch umfassende polizeiliche Ermittlungen, ein internationaler Aufruf und die Unterstützung der spanischen Behörden führten nicht dazu, dass das Trio aufgespürt wurde.

Genaue Route des Trios ist unbekannt

Die genaue Route ist unbekannt, aber vermutlich lebte das Trio zunächst erneut in Marokko, dann in Spanien und schließlich in den Pyrenäen in Südfrankreich. Umgeben war es britischen Medienberichten zufolge von einer wandernden spirituellen Gemeinschaft. Es sei nicht selten, Leute zu treffen, die alternativen Lebensmodellen folgen, zitierte die «Times» eine Anwohnerin im Pyrenäenort Quillan, wo Alex vor kurzem erfolglos versucht haben soll, sich an einer Schule anzumelden. Großmutter Susan Caruana spricht von einer Sekte.

Sie zeigte sich nun erleichtert. «Ich habe gestern Abend mit ihm gesprochen, und es tat so gut, seine Stimme zu hören und ihn zu sehen», sagte sie nach einem Videotelefonat am Donnerstagabend. «Ich kann es nicht abwarten, mit ihm wieder vereint zu sein.» Die Polizei will erst nach einem ausführlichen Gespräch mit Alex entscheiden, ob sie strafrechtliche Ermittlungen aufnimmt. Der Junge wirke gesund und intelligent, obwohl er sechs Jahre nicht in einer Schule war, wie französische Beamte gleich nach Bekanntwerden des Falls berichteten.

Offen ist noch, wo Mutter und Großvater stecken. Anwohner im Örtchen La Bastide, wo Opa David zuletzt in einer Gîte - einer Art Ferienhaus - gelebt haben soll, widersprachen Angaben aus Großbritannien, der 59-Jährige sei vor einem halben Jahr gestorben. Und ist Melanie mittlerweile nach Finnland gereist? Angeblich wollte sie dort die Nordlichter sehen - Alex aber habe nicht mitgewollt und sei deshalb ausgerissen, hatte die französische Polizei mitgeteilt.


Bildnachweis: © Darren Robinson/Oldham Times/PA Media/dpa
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