14. Mai 2021 / Allgemeines

Bundesweite Sieben-Tage-Inzidenz unter 100

Die dritte Corona-Welle gilt als gebrochen. Die Sieben-Tage-Inzidenz in Deutschland ist nun erstmals seit längerer Zeit wieder zweistellig. Naht damit schon das Ende der Pandemie?

In einem Impfbus des Deutschen Roten Kreuzes im sächsischen Wilsdruff wird eine Corona-Schutzimpfung vorbereitet.
von dpa

Nach acht Wochen endlich wieder unterhalb der Schwelle: Die bundesweite Sieben-Tage-Inzidenz ist unter den als kritisch definierten Wert von 100 gesunken.

Das Robert Koch-Institut (RKI) bezifferte sie am Freitag auf 96,5. Weniger als 100 Ansteckungen pro 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen hatte es zuletzt am 20. März gegeben, mit 99,9. Für Bundesgesundheitsminister Jens Spahn gibt das Anlass zur Zuversicht. Die Entwicklung sei ermutigend, sagte der CDU-Politiker am Freitag beim Besuch der Bundeswehrapotheke im niedersächsischen Quakenbrück. Doch er gab zu bedenken, dass die Lage bundesweit sehr unterschiedlich sei: Es gebe Landkreise mit einem Inzidenzwert von 35, aber auch solche mit über 200. Lockerungen der Corona-Regeln müssten daher vorsichtig geschehen.

Die Gesundheitsämter meldeten binnen eines Tages 11.336 Corona-Neuinfektionen - rund 7000 weniger als vor einer Woche. Allerdings ist möglich, dass wegen des Feiertags am Donnerstag weniger Ämter ihre Daten weiterleiteten.

Spahn betonte, wenn es bei einer Inzidenz unter 100 Öffnungsschritte gebe, sollten diese draußen passieren. Dies gelte für die Außengastronomie, kleine Konzerte oder ein Fußballspiel mit ausgedünnter Teilnehmerzahl und Abstands- und Hygienekonzept. «Ich kann nur bei den Ländern und Landkreisen dafür werben, dass wir insbesondere bei der Innengastronomie warten, bis wir unter 50er Inzidenzen sind», sagte er. Wenn sich mehrere Menschen im Innenraum länger ohne Maske aufhielten, könne sich das Virus leicht verbreiten.

In Berlin sollen Cafés und Restaurants im Freien ab dem kommenden Freitag wieder Gäste bedienen dürfen - vorausgesetzt die Sieben-Tage-Inzidenz bleibt bis dahin stabil unter 100. Gäste müssen außerdem einen negativen Corona-Test nachweisen oder vollständigen Impfschutz haben. In den Innenräumen dürfen Gaststätten weiterhin niemanden bewirten.

Mit Blick auf den Sommerurlaub zeigte sich der Gesundheitsminister vorsichtig. Spahn verwies auf die offizielle Empfehlung, soweit möglich auf nicht notwendige Reisen zu verzichten. Das werde man bei einem niedrigen Infektionsgeschehen zum Sommer hin sicher lockern können. «Ich verstehe die Sehnsucht», sagte er. «Aber wir sind eben noch in der Pandemie.» Deshalb solle man sich Länder aussuchen, die auch niedrige Inzidenzwerte aufwiesen. Im Zweifel sei nicht die weite Reise angesagt, sondern «eher Nordsee als die Südsee». Außenminister Heiko Maas (SPD) sagte den Zeitungen der Funke-Mediengruppe, er erwarte wieder ein Leben «in normaleren Verhältnissen». Das schließe Sommerurlaub ein - auch für Nicht-Geimpfte.

Was jetzt wichtig ist, um die Pandemie auch über den Sommer nicht außer Kontrolle geraten zu lassen:

IMPFUNGEN: Die Impfungen kommen immer schneller voran. Laut RKI wurden am Mittwoch in Deutschland so viele Menschen gegen das Coronavirus geimpft wie noch nie. Mehr als 1,35 Millionen Impfspritzen seien gesetzt worden, an Christi Himmelfahrt seien es 408.260 gewesen. Wie Spahn auf Twitter mitteilte, wurden damit an beiden Tagen zusammen fast zwei Prozent der deutschen Bevölkerung geimpft. 35,9 Prozent seien nun mindestens einmal geimpft und 10,6 Prozent voll geschützt.

MAßNAHMEN: Sie bleiben aus Expertensicht trotz der positiven Entwicklung der vergangenen Tage wichtig. Ein schlagartiges Aufheben würde demnach dazu führen, dass sich das Virus wieder rasant verbreitet. Bei der mittlerweile in Deutschland dominierenden Variante B.1.1.7 stecke ein Infizierter ohne Maßnahmen und in einer nicht immunen Bevölkerung im Durchschnitt etwa vier andere Menschen an, betonte Wieler. Aus 100 Infizierten würden 400, aus 400 dann 1600 und so weiter. Noch reiche die Impfquote nicht aus, um diese massive Ausbreitungsdynamik aufzuhalten. Mit zunehmenden Impfungen könnten aber nach und nach einzelne Maßnahmen zurückgenommen werden.

WETTER: Sonnenschein, weniger Luftfeuchtigkeit, mehr Zeit im Freien, besser gelüftete Räume - mehrere Saison-Effekte können dazu beitragen, das Virus etwas auszubremsen. Manche Experten rechnen dadurch mit einer Verringerung um bis zu 0,5 bei der Reproduktionszahl. Ein schöner Sommer könnte also helfen, diesen Wert unter 1 zu halten. Aber völlig verschwinden wird das Virus auch dann mit einiger Sicherheit nicht. Das legt die Entwicklung in manchen anderen Ländern nahe, wo Fallzahlen auch in Sommermonaten stiegen.

VARIANTEN: Tritt früher oder später eine neue Virusvariante in Deutschland ihren Siegeszug an? Das lässt sich noch schwer abschätzen. International beobachten Wissenschaftler mehrere Varianten mit besorgniserregenden Eigenschaften. Darunter etwa P.1 aus Brasilien und B.1.351 aus Südafrika sowie B.1.617 aus Indien. Gerade Mutanten, denen das Immunsystem bei Geimpften und Genesenen weniger entgegensetzen kann, sorgen für Ängste vor Rückfällen beim Kampf gegen die Pandemie - vor allem in Ländern mit bereits hohen Anteilen immuner Menschen. Der Virologe Christian Drosten sieht allerdings eine veränderte Lage: «Wir können dagegen animpfen. Wir sind nicht mehr so wehrlos wie letztes Jahr um diese Zeit», sagte er.

VERHALTEN: Ja, die Zahlen sinken, das Wetter wird besser. Aber deshalb die Vorsicht - samt der Verhaltensregeln - über Bord zu werfen, wäre Wissenschaftlern zufolge problematisch. In anderen Ländern wie Großbritannien und Israel hatte es Lockerungen erst bei niedrigen Inzidenzen gegeben, um keinen Rückfall zu riskieren. Trotzdem gilt: Gerade im Freien dürfte in der nächsten Zeit wieder vieles möglich werden. Freunde von Festivals und großen Konzerten müssen sich aber wohl noch gedulden: Im Verbot von Großveranstaltungen sieht etwa der Epidemiologe Gérard Krause den größten Einzeleffekt von Schutzmaßnahmen jenseits der Impfungen.

STAND DERZEIT: Die Schwelle von 100 ist in der sogenannten Bundes-Notbremse für besonders hohes Infektionsgeschehen genannt - wird sie in einer Region für mehrere Tage über- oder unterschritten, müssen schärfere Maßnahmen greifen oder können wieder ausgesetzt werden. Zuletzt lagen nach RKI-Daten 239 der erfassten Kreise und kreisfreien Städten bei einer 7-Tage-Inzidenz von unter 100 (Datenstand 13.5.).

Auch mehr als die Hälfte der Bundesländer liegt inzwischen unter dem politisch maßgeblichen Wert von 100. Den RKI-Daten vom Freitag zufolge sieht es in Schleswig-Holstein mit 43 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner und Woche besonders gut aus. Nur noch knapp über der 100 lagen Nordrhein-Westfalen (103), Sachsen-Anhalt (103) und das Saarland (102). Schlusslichter sind weiterhin Sachsen (134) und Thüringen (149).

Einen Höchststand hatte die bundesweite Inzidenz während der dritten Welle am 26. April mit 169,3 erreicht. Der bisher höchste Inzidenz-Wert insgesamt hatte bei 197,6 am 22. Dezember vergangenen Jahres gelegen.


Bildnachweis: © Sebastian Kahnert/dpa-Zentralbild/dpa
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