60 Jahre nach Marktrücknahme des Schlafmittels Contergan hat die Eigentümerfamilie des Herstellers die Opfer um Entschuldigung gebeten. Für den «gesamten Inhalt dieser Zeit von 60 Jahren» entschuldige er sich im Namen seiner ganzen Familie, sagte Michael Wirtz für die Eigentümerfamilie der Pharmafirma Grünenthal. Die Entschuldigung richte sich an «eine große und auch im Wesentlichen unbekannte Größe von betroffenen Menschen in Deutschland, aber auch in Europa.» Die persönlichen Worte äußerte Wirtz in einem aufgezeichneten Gespräch mit dem früheren Vorsitzenden des Bundesverbands Contergangeschädigter, Georg Löwenhauser. Ein Ausschnitt aus dem Video wurde am Samstag bei einer Online-Veranstaltung des Bundesverbands eingespielt. Der frühere geschäftsführende Grünenthal-Gesellschafter sagte darin, die Betroffenen erwarteten, dass sich die Familie Wirtz äußere und das «nicht versteckt hinter einer juristischen Person der Grünenthal GmbH». Er betonte: «Und das tue ich hiermit in aller Offenheit und hochoffiziell unter Zeugen, dass ich mich für diese Thematiken, die sich bei Ihnen in all' diesen Familien abgespielt haben, ausdrücklich entschuldige.» Contergan mit dem Wirkstoff Thalidomid war im Oktober 1957 auf den Markt gekommen und hatte zu einem der schlimmsten Skandale der Nachkriegsgeschichte geführt. Etwa 5000 Kinder kamen in Deutschland mit Fehlbildungen zur Welt, häufig mit verkürzten Armen oder Beinen, nachdem ihre Mütter Contergan in der Schwangerschaft eingenommen hatten. Am 27. November 1961 nahm Grünenthal das Medikament vom Markt. Viele Opfer sind bereits gestorben. Etwa 2400 Contergan-Geschädigte leben mit erheblichen Beeinträchtigungen. «Aus vielen Gesprächen wissen wir um die Bedeutung dieser Geste für viele von Contergan betroffene Menschen und deren Eltern. Wir begrüßen diesen Schritt daher sehr», hieß es in einer Reaktion des Unternehmens Grünenthal auf die Äußerung von Wirtz. «Er ist ein wichtiger Punkt auf dem eingeschlagenen Weg des Dialogs zwischen den Betroffenen, Grünenthal und der Eigentümerfamilie.» Löwenhauser, der sich an der aus Hamburg ausgestrahlten Online-Veranstaltung am Samstag beteiligte, sagte zu der Entschuldigung, er sei positiv überrascht worden. Sie sei «mit Sicherheit absolut ernst gemeint.» Laut Betroffenenverbänden ist eine klare Bitte um Verzeihung für viele Opfer wichtig. Das Unternehmen hatte sich 2012 dafür entschuldigt, nicht früher auf die Opfer zugegangen zu sein. Opferverbände hatten das damals aber als wertlos oder sogar beleidigend bezeichnet. Grünenthal betonte am Samstag in einer Erklärung aus Aachen: «Wir können nicht ändern, was geschehen ist. Aber wir wollen mit unserer Grünenthal-Stiftung zur Unterstützung Thalidomid-Betroffener Verantwortung übernehmen und unseren Beitrag zur Verbesserung der Lebensqualität leisten.» Die Contergan-Tragödie sei Teil der Unternehmensgeschichte «und wir bedauern die weitreichenden Folgen zutiefst.»Einer der größten Arzneimittelskandale
Bildnachweis: © Frank Leonhardt/dpa
Copyright 2021, dpa (www.dpa.de). Alle Rechte vorbehalten
Eigentümerfamilie bittet Contergan-Opfer um Entschuldigung
Es ist eine Überraschung: Aus der Eigentümerfamile von Grünenthal kommt eine Entschuldigung an die Contergan-Geschädigten - Jahrzehnte nach der folgenschweren Markteinführung des Schlafmittels.
Meistgelesene Artikel
- 30. März 2024
DLRG-Bezirksmeisterschaften 2024: Ortsgruppen aus dem Kreis Gütersloh bewiesen ihr Können
Rettungssportler aus Gütersloh und Verl holten die meisten Titel
- 18. April 2024
Subkultur in kommunaler Trägerschaft
Exklusiv-Interview mit Weberei-Chef Steffen Böning
Dein Partner für Elektroinstallationen und Gebäudetechnik aus Gütersloh
Neueste Artikel
- 30. April 2024
Gemeinsame Kontrollen der Gütersloher Kripo mit dem Hauptzollamt Bielefeld - 14 Arbeitnehmer ohne Aufenthaltserlaubnis angetroffen
Kriminalität Gemeinsame Kontrollen der Gütersloher Kripo mit dem Hauptzollamt Bielefeld - 14 Arbeitnehmer ohne...
- 30. April 2024
Nach Alleinunfall im Graben - 80-jährige muss befreit werden
Verkehr Nach Alleinunfall im Graben - 80-jährige muss befreit werden Eine 80-jährige Gütersloherin kam am...
Weitere Artikel derselben Kategorie
- 29. April 2024
Mindestens 46 Tote nach Dammbruch in Kenia
Straßen haben sich in reißende Flüsse verwandelt: Die Fluten nach schweren Regenfällen haben in mehreren Landesteilen Kenias verheerende Auswirkungen. Allein am Montag starben 66 Menschen.
- 29. April 2024
Übergriffsvorwürfe: Schauspieler Depardieu muss vor Gericht
Gérard Depardieu gilt als einer der ganz Großen im französischen Kino. Doch immer wieder erheben Frauen schwere Vorwürfe gegen ihn. Im Herbst muss er sich nun vor Gericht verantworten.