14. August 2021 / Allgemeines

Heuler Max, Martin und Sixtyfour robben in die Freiheit

Die ersten drei Heuler der Saison, die in den vergangenen Wochen in der Norddeicher Seehundstation aufgepäppelt wurden, sind wieder ausgewildert. Diesmal sind es weniger Jungtiere - auch wegen Corona.

Ein Seehund schaut an der Ostspitze der Insel Juist aus dem Transportkorb. Die drei jungen Seehunde «Max», «Martin» und «Sixtyfour» wurden von der Seehundaufzuchtstation in Norddeich w...
von Lennart Stock (Text) und Sina Schuldt (Fotos und Video), dpa

Nach einem letzten, kurzen Blick zurück zu ihren Transportkörben robben Max, Martin und Sixtyfour vorsichtig über den Strand gen Nordsee. Die drei jungen Seehunde sind die ersten Heuler der Saison, die nun im Osten der Nordseeinsel Juist wieder ausgewildert wurden.

Nachdem sie in den vergangenen Wochen in der niedersächsischen Seehundstation in Norddeich aufgepäppelt wurden, scheinen die Jungtiere ihrer neu gewonnenen Freiheit erst zögerlich, dann aber umso mehr zu trauen. Ein paar Minuten lassen sie sich von den Wellen umspülen, dann tauchen sie in die Fluten und verschwinden.

«Heute haben wir drei ganz tiefenentspannte junge Seehunde gehabt», erklärt Peter Lienau, der Leiter der Seehundstation, zufrieden. Für Lienau, seine Mitarbeiter und die ehrenamtlichen Helfer des Nationalpark-Hauses, beginnt mit dieser ersten Aussetzfahrt die Auswilderungsphase. Bis voraussichtlich Oktober werden sie von nun auf die Nordsee fahren und regelmäßig weitere Jungtiere auswildern.

Ohne Hilfe hätten sie nicht überlebt

Max, Martin und Sixtyfour waren als Heuler, so heißen die von ihrer Mutter getrennten Seehundjungen, im Juni vor Borkum und Cuxhaven gefunden worden und in die Station eingeliefert worden. Ohne Mutter und menschliche Hilfe hätten sie nicht überlebt. Damals wogen sie gerade einmal 10 bis 11 Kilogramm. In den vergangenen rund zwei Monaten wurden sie quasi in «Vollpension» aufgepäppelt und bringen nun mindestens 25 Kilogramm Auswilderungsgewicht auf die Waage.

An der zweiten Seehundstation in Deutschland, im schleswig-holsteinischen Friedrichskoog, war die Auswilderungszeit bereits Mitte Juli gestartet. Am 20. Juli war der erste Heuler Lønne am Speicherkoog in Dithmarschen in die Freiheit entlassen worden. Lønne war als Frühgeburt am 11. Mai mit einem Gewicht von gerade mal 8,6 Kilogramm in List auf Sylt gefunden worden.

Wie schnell sich die Heuler in den Stationen Fett anfuttern, sei von Tier zu Tier unterschiedlich, erklärt Tierpfleger Tim Fetting. In Norddeich werden die geschwächten Seehundbabys zunächst über einen weichen Silikonschlauch mit Lachsbrei als Muttermilchersatz gefüttert. «Dann werden die Tiere langsam, sukzessiv auf Fisch umgestellt.» Sobald die Tiere selbstständig fressen, nähmen sie auch schneller an Gewicht zu - bis zu fünf Kilogramm pro Woche seien dann möglich, sagt Fetting, der bereits seit 20 Jahren Seehunde aufzieht.

Bestand legt leicht zu

Einst waren die Seehunde wegen der Seehundstaupe gefährdet. Heute ist der Bestand im Wattenmeer nach Experten-Schätzungen stabil und wuchs in den vergangenen Jahren sogar leicht. Im niedersächsischen Wattenmeer wurden im vergangenen Jahr 10.382 Tiere gezählt - so viele wie noch nie zuvor. Nach Angaben des Wattenmeersekretariats in Wilhelmshaven gilt dieser positive Trend auch für das gesamte dänisch-niederländisch-deutsche Wattenmeer. Insgesamt wird geschätzt, dass in den Wattenmeeren aller drei Länder rund 41.700 Tiere leben.

Und dieses Jahr? Zurzeit wird bei Zählflügen im niedersächsischen Wattenmeer der Bestand wieder erhoben - die Ergebnisse stehen noch aus. Lienau geht davon aus, dass die Anzahl der Seehund-Geburten dieses Jahr ähnlich hoch liegt wie im Vorjahr. Hinzu kamen mit nur wenigen schweren Gewittern nahezu optimale Wetterbedingungen für die Aufzucht der Seehunde im Wattenmeer. Besonders habe den Tieren aber geholfen, dass es zuletzt weniger Störungen durch den Menschen gab.

Denn die Hauptgeburtenphase der Seehunde ab Mitte Juni fällt mit dem Beginn der Tourismus-Hochsaion an der Küste zusammen - also der Zeit, in der das Störungspotenzial besonders groß ist. Immer wieder komme es vor, dass Wattwanderer, Kitesurfer oder Sportbootfahrer zu dicht an die Sandbänke kämen, an denen die Mütter ihre Jungen säugten. «Manchmal reicht schon eine weite Distanz», sagt Tierpfleger Fetting. Bei Störungen flüchten Mutter und ihr Junges ins Wasser. Wenn dann das Junge vorher nicht genug Milch aufnehmen konnte, fehle die nötige Energie, um mit der Mutter mitzuhalten, berichtet Fetting.

Weniger Störungen - weniger hilflose Heuler

Stationsleiter Lienau macht den Rückgang der Störungen anhand der Einlieferungszahlen der Norddeicher Einrichtung fest. In diesem Jahr wurden lediglich 128 Heuler aufgenommen. Das ist etwa ein Viertel weniger als noch im Vorjahr. 117 der Tiere konnten aufgezogen werden. Bereits 2020 kamen 20 Prozent weniger Tiere in die Station. Den Seehunden sei auch die Corona-Pandemie zugute gekommen, da im Frühsommer unter dem Strich weniger Gäste an die Küste gekommen seien, erklärt Lienau. Zudem hätten die Feiertage Pfingsten und Fronleichnam, an denen traditionell an der Küste viel los ist, dieses Jahr vor der Hauptgeburtenphase gelegen.

Seehunde bräuchten bei ihrer Geburten- und Säugephase absolute Ruhe, appelliert Lienau. «Das heißt, sobald man ein Tier an der Küste findet, muss man in die Bremse gehen, den Rückwärtsgang einlegen und die Tiere in Ruhe lassen. Das ist das einzig Richtige, dann haben wir auch weniger Heuler.»


Bildnachweis: © Sina Schuldt/dpa
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