28. April 2024 / Im Interview

„Mir ist wichtig, dass wir viel und offen sprechen“

Gespräch mit Pfarrer Thorsten Roland

von Susanne Zimmermann aus der aktuellen gt!nfo (Ausgabe April 2024)

Er ist „der Neue“ und hat – auch wenn man den Himmel nicht mitzählt - ein ziemlich weitläufiges Arbeitsgebiet. Seit Dezember ist Torsten Roland Leitender Pfarrer für die katholischen Kirchen in Gütersloh mit rund 27.500 Katholiken. Gut 120 Tage ist Roland jetzt im Amt, der neue Erzbischof von Paderborn war auch schon da, und man hört viel Gutes über den gebürtigen Sauerländer, der gern wandert und gärtnert. Zeit, dass gt!nfo mal nachfragt, wie es so ist in Gütersloh.

Seit gut drei Monaten sind Sie als Leitender Pfarrer in Gütersloh im Amt. Sind Sie, wie man so schön sagt, in der Stadt „angekommen“?
Ja, das kann ich sagen. Gütersloh ist eine wunderbare Stadt.

Weil …?
Weil es hier sehr viel Grün gibt. Alles ist nah bei. Man kann viel mit dem Rad erreichen. Die Menschen, die hier leben, sind mir gegenüber offen und herzlich. Ich hatte in den vergangenen Monaten schon viele Kontakte, bin mit dem einen oder der anderen einen Kaffee trinken gewesen, war auch schon eingeladen. Das macht es leicht, sich hier zuhause zu fühlen.

Ihr Arbeitsbereich ist – auf die Gemeinden und Kirchorte bezogen – sehr groß …
Das ist so. Ich bin inzwischen überall schon gewesen und habe einen ersten Eindruck gewonnen, mit den Gemeinden Gottesdienste gefeiert. Ich bin sehr dankbar, dass auch dort eine große Offenheit gibt. Ich kenne ja die Vorsituation nicht, aber ich habe das Gefühl, dass eine Aufbruchstimmung da ist, auch eine Freude, Glauben auf verschiedene Art und Weise wieder lebendig zu machen. Das Ehrenamt in in den einzelnen Kirchorten ist ein großes Pfund. Mir ist es wichtig deutlich zu machen, dass es überall dort, wo das Ehrenamt vielleicht geschlummert hat, wieder zum Tragen kommen soll. Und ich treffe überall Menschen – jung und alt – die mich fragen, wo und wie sie sich einbringen können. Das ist ein schönes Signal mir, aber auch der Kirche von Gütersloh gegenüber, die auf einem guten Weg ist.

Wie können sich die Menschen in den Gemeinden einbringen?
Zum einen gibt es die vielen Dienste, die wir haben – die christlichen Vereine, die Kinder- und Jugendarbeit, die Seniorengruppen, Messdiener, Kommunionhelfer oder Lektoren. Aber bin auch offen für neue Ideen und mache jedem Einzelnen Mut, seine oder ihre Ideen mit mir zu besprechen. 

In Ihrem ersten Pressegespräch hier haben Sie das Wandern als Möglichkeit der Glaubensvermittlung angesprochen. Auch in Gütersloh und Umgebung gibt es Wanderwege. Kann das auch hier ein Angebot sein?
An meinen anderen Pfarrstellen habe ich regelmäßig Bergfreizeiten für junge Menschen angeboten. Auch für diesen Sommer war bereits eine geplant. Da freut mich besonders, dass auch einige Gütersloherinnen und Gütersloher mitfahren werden.

Wandern steht im übrigen für mich als „gemeinsam unterwegs sein“, gemeinsam Glauben leben. In diesem Sinn kann ich mir auch vorstellen, Exerzitien für Erwachsene anzubieten. Das ist ja auch Teil meiner Berufung, ich habe eine Ausbildung zur Begleitung für Bergexerzitien gemacht. Das muss sich natürlich mit meinen Aufgaben als Leitender Pfarrer vereinbaren lassen. Ich kann ja nicht immer weg sein. Aber ich möchte auch weiterhin Seelsorger sein und bleiben.

Die Seelsorge ist den Menschen wichtig …
Seelsorge ein Bereich, der in der heutigen Zeit mehr denn je angefragt wird. Und mir ist das ein ganz großes Anliegen. Allein die vergangenen Wochen waren so angefüllt mit ganz persönlichen Gesprächen hier in meiner Wohnung, bei denen ich sehr deutlich gemerkt habe, es muss einen Raum dafür geben, Seelsorge persönlich zu betreiben – auch als Leitender Pfarrer mit all den Verwaltungsaufgaben. Denn ich bin ja auch Pastor, im Wortsinn der Hirte, der mit den Menschen unterwegs ist. Und auch in den Gemeinden ist mir das zurückgespiegelt worden: Bleiben Sie Seelsorger! Dazu kann ich auch sagen: Ich habe ein Team, das mir den Freiraum und die Rückenstärkung dazu gibt. 

Sie sind aber auch Manager eines großen Kirchenunternehmens - mit Immobilien, mit Entscheidungen, die zu treffen sind. Ist das was, was einen auch „zerreißen“ kann?
Der Begriff ist gar nicht so schlecht, bezogen auf die großen Räume und die Aufgaben. Ich glaube, man muss eine gute Mitte finden, um für sich klar zu sein, wo die Energie für das eine gefragt ist und wo für das andere. Für mich ist hilfreich, mir eine Stunde am Tag zu nehmen, um in die Natur rauszugehen. Ich merke, dass ich das nach den Wochen der Einarbeitung wieder mehr in den Blick nehme.

Apropos Einarbeitung – was wussten Sie im Vorfeld über Gütersloh und die Gemeinden?
In Delbrück und Lippstadt war ich ja nie so weit weg von Gütersloh. Das war ein Ort, in dem man auch schon mal essen gegangen ist und in dem man zum Beispiel eingekauft hat. Auch ein befreundeter Amtsbruder war hier Pfarrer. Als ich mich für die Bewerbung entschieden habe, bin ich „inkognito“ in die eine oder andere Kirche gegangen und habe mir die mit Gemeindemitgliedern erarbeitete Pastoralvereinbarung mitgenommen, die dort auslag. Da waren Begriffe und Perspektiven, zu denen ich zu hundert Prozent sagen konnte: Das passt.

Welche Begriffe sind Ihnen in dieser Vereinbarung besonders wichtig?
Gemeinschaft, Menschlichkeit, Glauben leben, miteinander und für einander, Evangelisation. Jeder ist eingeladen in das Verkünden der Botschaft Jesus und Gemeinde mitzugestalten – nicht nur die Hauptamtlichen. Kommunikation ist ein entscheidendes Wort – das auch mir immer wichtig war und ist. Sagen, was man vorhat, aber auch hören, was die anderen sagen. Ein Schlüsselwort in jeder Hinsicht!  Das gilt für die Gemeinden ebenso wie für die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Mir ist wichtig, dass wir viel und offen sprechen.

Wie erklärt man angesichts des Themas Missbrauch heute Menschen, dass es gut ist, Teil der katholischen Kirche zu sein?
Im Zusammenhang mit den Missbrauchsfällen müssen wir in den Pastoralen Räumen ein Schutzkonzept erstellen. Das ist ein Thema, das wir in den nächsten Monaten anpacken müssen und werden. Aber es gibt so viele Bereiche, die positiv besetzt sind. Ich nehme wahr, dass besonders für viele junge Menschen die Botschaft Jesus und das was sie uns auf den Weg mitgibt, entscheidend ist. Unsere Kirche lebt durch jeden einzelnen, der bereit ist, mitzumachen. Das gilt auch für Gütersloh, das hat mich zum Beispiel auch im Gespräch mit den Messdienern und Messdienerinnen beeindruckt. Das möchte ich fördern.

Welche Rolle spielt dabei der Gottesdienstbesuch?
Ich kann nicht beurteilen, wie das vorher war. Aber wenn mich die Leute ansprechen nach dem Gottesdienst, was sie häufig, sagen sie mir: Es wird wieder voller. Grundsätzlich finde ich, dass die Gottesdienste in unseren Pastoralen Raum gut besucht sind. Und was mich freut, dass auch viele junge Menschen dabei sind.

Aber auch in Gütersloh steht wie woanders die Frage von Kirchenschließungen im Raum …
Es gibt den Runden Tisch Immobilien, der schon getagt hat, bevor ich nach Gütersloh gekommen bin. Von Paderborn gibt es Vorgaben, an dem wir uns ein stückweit orientieren müssen.  Das ist ein großes Thema, das intensiv bearbeitet werden muss. Ich selbst bin hier in der Einarbeitungsphase. Aber entscheidend ist für mich: Menschen dürfen ihre kirchliche Heimat nicht verlieren. Auch bei diesem Thema gilt:  Es gibt hier unendlich viele Menschen, mit denen man dazu ins Gespräch kommen muss.

Auch dieses Thema ist ein Beispiel dafür, dass an Sie ganz persönlich hohe Erwartungen gestellt werden.
Das ist mir bewusst, ich kann aber auch damit umgehen. 

Kann das auch eine Last sein?
Ja, aber es ist für mich momentan keine Last. Es gibt zudem Menschen an die ich mich wenden kann mit meinen Fragen. Als Pfarrer bekommen wir auch Menschen zur Seite gestellt, die uns begleiten bei unserer Arbeit in solch pastoralen Räumen, wie Gütersloh einer ist. Wenn man Unterstützung sucht, kann man sie auch finden. Im Übrigen hat mir unser neuer Erzbischof Udo Markus Bentz aus der Seele gesprochen in seiner Einführungspredigt: „Nur im Wir kann ich die Zukunft gestalten.“ Dieses Wir, die Dynamik und die Aufbruchstimmung erkenne ich hier in Gütersloh – in den Gemeinden und im Team meiner Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen.

Ist in dieses Wir auch die Ökumene eingeschlossen? An Ihrem Einführungsgottesdienst hat eine starke Delegation der Ev. Kirchengemeinde teilgenommen…
Ökumene ist für mich keine Frage, die Zusammenarbeit habe ich auch in Delbrück und Lippstadt gepflegt, das ist mir ein Anliegen. Mit der Gruppe der Pastoren und Pastorinnen hatte ich bereits ein Gespräch. In der Vesperkirche habe ich im Februar auch mitgearbeitet, da war ich nicht das letzte Mal.  Ich bin sicher, wir können gemeinsam Dinge umsetzen für Gütersloh.

Und was steht in den nächsten Monaten für die katholischen Gemeinden an?
Neben der Tagesarbeit weiterhin viele Gespräche: Mit den Küstern, den Lektoren, den Kommunionhelferinnen, mit den Schulleitungen, mit den Gemeindeausschüssen … Mit den Leitungen der katholischen Kindertageseinrichtungen habe ich bereits ein erstes Gespräch geführt, jetzt will ich die Kitas besuchen.

Ein umfassendes Programm…
Ja, aber ich bin nicht allein. Ich spüre hier wirklich eine große Dynamik und den großen Wunsch mitzumachen. Gütersloh hat ein großes Potenzial. Ich denke, das hat auch Erzbischof Udo Markus Bentz gespürt, als er hier im März ein Pontifikalamt gefeiert hat. Das freut mich, das macht mir Mut und gibt mir Energie. Es ist schön hier zu sein.


Auszug aus der gt!nfo (Ausgabe April 2024)

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