28. Oktober 2021 / Allgemeines

Scharfe Munition und schwere Fehler bei Hollywood-Dreh

Vor einer Woche stirbt die Kamerafrau Halyna Hutchins am Set eines Westerns. Polizei und Staatsanwaltschaft geben eine Pressekonferenz mit schockierenden Details. Der Regieassistent räumt Fehler ein.

Ein Blumenstrauß hängt vor der Bonanza Creek Film Ranch nahe Santa Fe, wo sich der tödliche Unfall ereignete.
von Barbara Munker und Jörg Vogelsänger, dpa

Nach dem Todesschuss bei Dreharbeiten zu dem Western «Rust» mit Hollywood-Star Alec Baldwin in den USA finden die Ermittler deutliche Worte.

«Ich denke, die Fakten sind klar - eine Waffe wurde Mr. Baldwin gereicht. Die Waffe war funktionsfähig und gab scharfe Munition ab, die Ms. Hutchins tötete und Mr. Souza verletzte», sagte Sheriff Adan Mendoza bei einer Pressekonferenz in Santa Fe im US-Bundesstaat New Mexico. Ein im Fokus stehender Regieassistent räumte inzwischen Fehler bei den Sicherheitsvorkehrungen ein.

Erstmals seit dem tragischen Vorfall auf der Bonanza Creek Ranch, bei dem die Kamerafrau Halyna Hutchins (42) getötet und Regisseur Joel Souza (48) verletzt wurden, standen Polizei und Staatsanwaltschaft am Mittwoch Journalisten Rede und Antwort. Und sie sparten nicht mit schockierenden Details.

Das abgegebene Projektil, das zuerst die Kamerafrau traf und sie tödlich verletzte, habe dann den hinter ihr stehenden Regisseur erwischt. Die Ärzte hätten das Geschoss, eine Bleikugel, aus dessen Schulter entfernt, sagte der Sheriff. Die echte Waffe in der Hand von Hauptdarsteller und Produzent Baldwin (63) beschrieb Mendoza als 45-Colt-Revolver.

Drei Handfeuerwaffen und 500 Schuss Munition am Set

Am Set des Low-Budget-Films stießen Ermittler auf drei Handfeuerwaffen und etwa 500 Schuss Munition, darunter Platzpatronen und sogenannte Dummy-Patronen, die kein Schießpulver enthalten. Doch vermutlich war auch «live» (scharfe) Munition darunter, sagte Mendoza. Weitere Labortests seien nötig, um das abschließend zu klären.

Wie konnte es zu derart massiven Sicherheitsmängeln kommen? Scharfe Munition hat auf Filmsets nichts zu suchen, betonen Film-Experten in Hollywood. Sheriff Mendoza drückte es mit Blick auf den Umgang mit Waffen vorsichtig aus: «Ich denke, an diesem Set herrschte eine gewisse Nachlässigkeit.» Und er ergänzte: «Immer, wenn Schusswaffen im Spiel sind, ist Sicherheit das oberste Gebot.»

Die Untersuchungen dauerten an, sagte Bezirksstaatsanwältin Mary Carmack-Altwies. Es sei zu früh, um über eine mögliche Anklage zu entscheiden, aber «alle Optionen sind auf dem Tisch», betonte die Juristin. Zu diesem Zeitpunkt sei niemand, auch nicht Baldwin, von einem möglichen Verfahren ausgeschlossen.

Anklage könnte in Betracht gezogen werden

Dem Sender CNN sagte die Staatsanwältin im Interview, je nach Ausgang der Ermittlungen könnte eine Anklage wegen fahrlässiger Tötung in Betracht gezogen werden. «Wir wissen nicht, wie die scharfe Munition dorthin gelangte», betonte sie. Dies herauszufinden, werde vermutlich der Dreh- und Angelpunkt bei der Entscheidung über eine Anklage sein. Sie sei schockiert über den Vorfall, räumte Carmack-Altwies ein. «Ich war in der Annahme, wahrscheinlich wie die meisten Menschen in diesem Land, dass Filmsets weitaus sicherer und geschützter seien, als zumindest dieser Film es war.»

Weiter ins Visier gerieten am Mittwochabend die beiden Mitarbeiter am Set, die mit den Waffen Umgang hatten: eine 24-jährige Waffenmeisterin und der Regieassistent, der Baldwin die Waffe gereicht hatte. Die Behörden in Santa Fe veröffentlichten Details aus einem Untersuchungsbericht nach der Befragung der beiden Mitarbeiter.

Regieassistent räumt Fehler ein

Demnach räumte der Regieassistent ein, dass er die Sicherheitsvorkehrungen nicht strikt befolgt habe. Er habe die Waffe nur unvollständig geprüft und nicht alle Patronen inspiziert. Er könne sich auch nicht daran erinnern, ob die zuständige Waffenmeisterin die Trommel des Revolvers vollständig rotiert habe, um zu schauen, ob noch Patronen darin waren. «Er gab an, er hätte alle (Patronen) überprüfen sollen, tat es aber nicht», heißt es in dem Bericht der Polizistin, die ihn befragte. Der Assistent habe auch erklärt, der Vorfall sei keine «vorsätzliche Handlung» gewesen.

Die 24-jährige Waffenmeisterin, laut Medien die Tochter eines bekannten Hollywood-Filmwaffenmeisters und Stuntmans, gab dem Polizeibericht zufolge an, dass sie an dem Drehtag, als der tödliche Schuss fiel, vor der Mittagspause geprüft habe, dass keine scharfe Munition in der Waffe war. Während der Pause seien die Waffen in einem Safe in einem Wagen eingeschlossen gewesen. Die Polizei erwirkte nun einen Durchsuchungsbefehl für das Auto.

Der Vorfall passierte kurz danach bei den Proben für eine Szene, in der Baldwin den Revolver aus einem Gürtelhalfter ziehen und in Richtung Kamera feuern sollte. Die Waffenmeisterin sagte den Ermittlern, dass keine scharfe Munition am Set aufbewahrt werde. «Rust» ist erst der zweite Film, an dem sie in dieser Funktion beteiligt war.

Nicht der erste Vorfall von Fahrlässigkeit

Der Regieassistent sei 2019 wegen eines ähnlichen Vorfalls bei einem Film entlassen worden, berichteten zahlreiche US-Medien. Bei dem Dreh zu «Freedom's Path» sei damals ein Tontechniker leicht verletzt worden, nachdem unerwartet eine Waffe am Set losgegangen sei, hieß es unter Berufung auf die Produktionsfirma des Films.

Baldwin, der laut Sheriff-Büro schon mehrmals befragt worden ist, hatte sich einen Tag nach dem tödlichen Schuss geäußert. «Es gibt keine Worte, um den Schock und die Trauer auszudrücken angesichts des tragischen Unfalls, der das Leben von Halyna Hutchins beendet hat», schrieb der Schauspieler am vorigen Freitag auf Twitter. Zugleich sicherte er zu, er werde vollumfänglich mit der Polizei kooperieren.

Der Vorfall auf dem «Rust»-Set hat Hollywood schockiert und aufgewirbelt. Viele Filmschaffende fordern nun striktere Sicherheitsprüfungen und ein Umdenken beim Umgang mit Schusswaffen. Regisseur Bandar Albuliwi, der wie die getötete Kamerafrau Halyna Hutchins an dem renommierten American Film Institute Conservatory studierte, hat eine Petition zum Verbot echter Waffen am Set ins Leben gerufen. In kurzer Zeit kamen über 64.000 Unterschriften zusammen. Albuliwi fordert Baldwin darin auf, seinen Status und Einfluss in Hollywood für dieses Ziel zu nutzen.


Bildnachweis: © Andres Leighton/AP/dpa
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