10. Juni 2021 / Allgemeines

Vergiftete Zimtschnecke für die Ehefrau - Mann vor Gericht

Eine Zimtschnecke wäre beinahe zum Mordwerkzeug geworden. Ehefrau und Schwiegermutter überlebten den Biss in eine vom Ehemann mit Schlafmittel präparierte Gebäckstück. Das Motiv bleibt im Nebel.

Das Strafjustizzentrum des Landgerichts Nürnberg-Fürth, wo der Prozess heute begann.
von Michael Donhauser, dpa

Am Ende weinten sie beide. Der Mann, der seiner Ehefrau eine mit Schlafmittel präparierte Zimtschnecke untergejubelt hatte. Und die Frau, die den Biss in das Leib- und Magen-Gebäck ihres Mannes überlebte, genau wie ihre Mutter, die die andere Hälfte der Schnecke gegessen hatte.

Im Schwurgerichtssaal des Nürnberger Landgerichts entschuldigte sich der 39-Jährige aus Erlangen zum Prozessauftakt öffentlich, mit tränenerstickter Stimme, verbal kaum verständlich, aber inhaltlich deutlich: Es tue ihm leid - und er sei heilfroh, dass die beiden Frauen keine bleibenden Schäden davongetragen hätten.

Streit um den gemeinsamen Sohn

Die Szene vor den Augen der 19. Strafkammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth war der vorläufige Höhepunkt dessen, was vor neun Jahren bei einer Wanderung als Liebesgeschichte zweier junger Menschen begann - und als Beziehungstat endete. Nach der Geburt des gemeinsamen Sohnes lebten sich die Eheleute auseinander, stritten, manchmal wurde es laut, wie die 41 Jahre alte Frau im Zeugenstand schilderte. Es kommt zur Trennung, es geht um die Umgangszeiten mit dem Sohn, einem «Papakind», wie beide Elternteile einmütig aussagen. Dem Vater reicht es nicht aus, jedes zweite Wochenende und jeden Donnerstag mit dem Fünfjährigen zusammenzusein. Er bringt ihn nicht mehr in den Kindergarten, die Mutter stört das.

Finanzielle Probleme, gelegentlicher Drogenkonsum und gesundheitliche Schwierigkeiten kommen hinzu. Schließlich, im November 2020, fasst der Mann den folgenreichen Entschluss. Das Schlafmittel Etizolam, das er selbst schon konsumiert hat und das ihn in einen tiefen, traumlosen Schlaf versetzt hatte, mischt er in hoher Dosierung in die Füllung seiner Zimtschnecken - soviel gibt er in seiner sechs Seiten langen Einlassung, die er vor Gericht selbst verliest, zu.

Doch warum tut er das? Hier gehen die Meinungen auseinander. Wollte er tatsächlich seine Frau nur für ein, zwei Tage außer Gefecht setzen, um mehr als nur den Donnerstag mit dem so geliebten Söhnchen verbringen zu können, wie er selbst als Motiv angibt? Oder wollte er der Frau ein Drogenproblem anhängen, um längerfristig das alleinige Sorgerecht für den Kleinen anzustreben, wie die Frau in einer ihrer Vernehmungen gemutmaßt hatte? Oder wollte er die verflossene Ehefrau gar für immer beseitigen, wie die Staatsanwaltschaft in ihrer auf versuchten Mord lautenden Anklageschrift annimmt?

Selbst die Schwiegermutter, nach dem Verzehr der präparierten Zimtschnecke schwer erkrankt und nur durch künstliche Beatmung im Universitätsklinikum Erlangen dem Tod entronnen, traut dem Schwiegersohn keine Tötungsabsicht zu. Eine entsprechende Frage des Vorsitzenden Richters Markus Bader beantwortet die 79 Jahre alte Dame klar mit Nein.

Zunächst Verdacht auf Schlaganfall

Ohnehin war es ein Zufall, dass die kriminelle Machenschaft mit der Zimtschnecke überhaupt aufflog. Die Ärzte vermuteten einen Schlaganfall als Ursache für den Sprachverlust und die Lähmungserscheinungen der Frau. Erst als ihre Mutter den Rest der Zimtschnecke mit nach Hause nahm und nach dem Verzehr ebenfalls erkrankte, kam die Schwägerin des mutmaßlichen Täters auf die Idee, es könne etwas nicht stimmen.

Bader und die Richter seiner Kammer müssen nun klären, was mit dem 39-Jährigen in Zukunft geschehen soll - sieben weitere Verhandlungstage bis zum 29. Juli sind dafür angesetzt. Eine entsprechende Frage des Richters an die Ehefrau, was sie für angemessen hielte, blieb unbeantwortet: «Ich habe oft darüber nachgedacht, aber ich weiß es nicht», sagte sie. Seit November sitzt der Mann nun in Untersuchungshaft. Seinen Sohn hat er seitdem nicht mehr gesehen.


Bildnachweis: © Daniel Karmann/dpa
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